Einkaufen ohne Umwege / Eine Foodcoop
Einkaufen ohne Umwege / Eine Foodcoop
Wenn man sich mit bewusster Ernährung und der Herkunft unserer Lebensmittel auseinandersetzen möchte, wird man bereits bei einem einfachen Supermarkteinkauf vor einige Probleme gestellt.
Beispielsweise damit, dass der Lebensmittelhandel immer globaler wird. Im Winter Heidelbeeren aus Peru (sogar im Bioladen), obwohl sie im Sommer auch in der Steiermark reifen. Lange Lieferketten, aufwendige Lagerung, Plastikverpackungen, eine miserable Ökobilanz und Unwissen darüber, wen man hier eigentlich unterstützt, eine Unwissenheit darüber, woher die genormten Lebensmittel überhaupt kommen – das alles lässt den Wunsch nach Transparenz wachsen. Der Wunsch wird größer, saisonale, regionale und biologische Lebensmittel zu kaufen und zu konsumieren.
Zudem potenziert sich die Forderung nach mehr Bewusstsein in der Gesellschaft darüber, dass bäuerliche Landwirtschaft unsere Lebensgrundlage darstellt und Produktionsbedingungen und politische
Vorgaben sich zu Gunsten einer sozial und ökologisch verträglichen Landwirtschaft verändern sollten. Es wird für die Landwirtschaft ein klares „Stopp“ für klimazerstörerische Bewirtschaftung
gefordert.
In Österreich greifen wir dadurch sehr gerne zu heimischem Obst und Gemüse – die Qualität stimmt, die Wege sind kurz.
Aber was, wenn man auch in der heimischen Landwirtschaft beispielsweise nicht an der Ausbeutung von Erntehelfer:innen vorbeikommt? Diese haben überdurchschnit lich lange Arbeitszeiten, arbeiten
meist zu niedrigen Löhnen und unter miserablen Bedingungen. Saisonarbeiter:innen in der Landwirtschaft sind eine der am meisten ausgebeuteten Gruppen von Arbeitnehmer:innen in Österreich.
Da stellt sich unmittelbar folgende Frage: Wie kann man diese Gegebenheiten als Konsument:in bewusst nicht unterstützen, sondern Teil einer Veränderung werden? Wo anfangen? Wie beginnen, die
Klimaveränderung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, um so auch der Umwelt die Chance auf Genesung zu geben?
Kopfsalat, Gurken, Äpfel, Lauch und Tomaten weisen durchschnittlich die höchste Belastung durch hormonell wirksame Pestizide auf. Dies fand die Zusammenarbeit von Pesticide Action Network und
Global 2000 durch die Analyse von Daten der europäischen Lebensmittelbehörde heraus. Was also machen, um Pestizide zu meiden? In der biologischen Landwirtschaft oder bei einem naturnahen
Gärtner ohne Gift, kommen keine Pestizide zum Einsatz. Das bedeutet nicht nur pestizidfreie Lebensmittel auf den eigenen Tellern, sondern auch eine spürbare Entlastung der Umwelt. Bedeutet Bio also
Klimaschutz? Jein! Was man jedoch sagen kann ist, dass die konventionelle Landwirtschaft allein durch die energieintensive Produktion der chemisch-synthetischen Dünge- und Spritzmittel enorme
Mengen an Treibhausgasen verursacht.
Bio bedeutet insofern Klimaschutz, weil durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Dünge- und Spritzmittel weniger CO2-Emissionen entstehen und biologisch bewirtschaftete Böden mehr CO2 binden können. Für gutes Ernten sorgen biologischer Pflanzenschutz, eine widerstandsfähige (Zucht auf Hochertragsleistung geht auf Kosten der pflanzeneigenen Widerstandsfähigkeit). Sortenwahl, langjährige Fruchtfolge und das Fördern von Nützlingen. Die Kennzeichnung von Bioprodukten unterliegt strengen Kontrollen. Dieser Einkauf von Bioprodukten ist teilweise im Supermarkt, auf Bauernmärkten, mit Bio-Abokisten, direkt vom Bauern über solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) oder über die Foodcoop im eigenen Bezirk organisiert, möglich.
Bei einer Lebensmittelkooperative (Foodcoop), schließen sich mehrere Personen oder Haushalte zusammen und organisieren den gemeinsamen Einkauf direkt von Produzent:innen. Die Spanne reicht hier vom kleinen Verein, der von ehrenamtlicher Mitarbeit getragen wird, bis zur professionell organisierten Kooperative. Für manche steht die Regionalität im Vordergrund, für andere ist Bio absolut Pflicht. Grundsätze, nach denen Lieferant:innen ausgewählt werden, mögen variieren, doch eine Gemeinsamkeit haben wohl alle: Die Kenntnis darüber, woher das Essen kommt! Faire Preise für die Foodcoop-Mitglieder und das Ermöglichen alternativer Handelskonzepte mit den Bauern ergeben die selbst verhandelten Produktpreise. Ein weiterer Positivaspekt: Die Foodcoop ergibt gerechte Geschäftsbeziehungen ohne Zwischenhandel.
Eine solche Solidarische Landwirtschaft beruht auf dem Konzept einer Erzeuger:innengemeinschaft aus Konsument:innen und Produzent:innen. Dabei übernehmen die Mitglieder, des z.B. als Verein oder Genossenschaft organisierten Betriebs, die geplanten Kosten für die Produktion eines Jahres und erhalten im Gegenzug ihren Anteil an der Ernte.
Dadurch wird das Risiko von produktionsmindernden Wetterlagen und Krankheiten auf viele Schultern verteilt, anstatt wie im Lebensmitteleinzelhandel üblich, auf die Landwirt:innen abgewälzt. Für
Hofbetreiber:innen bedeutet das ungeahnte Planungssicherheit und die Konsument:innen erhalten ihre Lebensmittel direkt, saisonal und frisch. Transparente Preisgestaltung nach Anbau- und Verarbeitungskosten, persönliche Beziehungen und Verpackungsfreiheit gehören genauso zum SoLaWi-Konzept, wie Sortenvielfalt und biologische und biodiversitäts fördernde Produktion.
Foodcoop von und für die Nachbar:innenschaft
Im Althangrund besteht seit Winter 2019 eine Alternative zu den kommerziellen Supermarktkonzepten in Form einer solchen Foodcoop. Ausgehend von Mitbewohner:innen einer Wohngemeinschaft hat sich diese durch Vernetzung in der Nachbarschaft gegründet. Lebensmittel werden seitdem direkt von Erzeuger:innen in ein Lager in der Augasse transportiert und der Gang in den Supermarkt dadurch sichtlich reduziert.
Rasak und _willi, Mitbewohner:innen einer WG begannen dieses Projekt, indem sie einfach mal in ihrem Freundeskreis rumfragten, wer denn Lust hätte, sich selbst zu organisieren und somit unabhängiger vom „großen“ Gemüsehandel zu sein. Sie wollten ihre eigene Foodcoop starten, nach dem Motto „as simple as possible“.
Das bedeutet, ohne Beitragsgelder, ohne eigennützigen Gewinn und ohne Monatsbeitrag – man zahlt nur für das, was man tatsächlich bekommt.
Bisher ist die Foodcoop klein und eher informell. Es gibt gemeinsame Pläne und die Foodcoop kann größer werden.
Die Foodcoop befindet sich in der Wolke, Augasse 2-6, in der alten WU. Jeden Dienstagmittag wird das Gemüse geliefert und kann von 12 bis 20 Uhr abgeholt werden. Alle Teilnehmer:innen legen individuell fest, wie viel sie wovon erhalten wollen, einen ganzen oder halben “Ernteanteil”.
Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, sich gemeinsam mit anderen zu organisieren und die Anteile untereinander aufzuteilen. Wer beispielsweise nur ¼ benötigt, kann sich mit einer anderen WG
zusammentun. Ein Anteil entspricht der Gemüseversorgung für rund 4-5 Personen. Derzeit gibt es 11 Anteile in der Foodcoop. Das Geld der Anteile geht direkt an den Bauern. Man bezieht nicht lediglich sein Essen, sondern jeden Dienstag gibt es jeweils zwei ehrenamtliche Schichten für die Annahme und die Ausgabe der Lebensmittel. Die Wintersaison geht noch bis März, ab Mai startet die Sommer-Saison. Dafür starten die Initiator:innen im April eine Umfrage, wer teilnehmen möchte und mit welchem Anteil. Die Teilnemer:innen tragen in Listen ein, wieviel Gemüse sie beziehen möchten.
Zusätzlich gibt es eine Extra-Liste für Kaffee und Olivenöl vom Infoladen. Getreide oder beispielsweise Linsen und andere Überraschungen sind auch dabei. Was an Gemüse kommt, sowie die Sorten, ist wechselnd – aber immer frisch vom Feld und passend zur Saison. Die Foodcoop kooperiert mit dem Biohof Radl in Hirschstetten (Wien) – regionaler geht’s also nicht. 1996 stellte der Familienbetrieb auf eine kontrolliert biologische Landwirtschaft um. Was die Radls so anbauen, seht ihr auf ihrer Internetseite. Um seinen Anteil zu erhalten, kommt man während der wöchentlichen Öffnungszeiten in der Foodcoop vorbei, nimmt sich diesen selbstständig, man trägt sich ein und macht einen Vermerk unter seinen Namen. Falls es einem aus Gründen mal nicht möglich ist, den Dienstag als Tag der Abholung wahrzunehmen, kann man auch einen anderen Tag zum Abholen vereinbaren, da in der Wolke meist etwas los ist. Was an Gemüse kommt, ist wechselnd. Dies mache erfinderisch, sagt Rasak von der Organisation.
Ihr: nächstes Vorhaben ist ein Kochbuch mit all den Inspirationen der Foodcoop-Menschen. Es geht hier nicht nur um saisonales Bio-Gemüse, sondern um die Menschen aus der Nachbarschaft, um
die Foodcoop als lokalen Treffpunkt.
Wenn ihr nach der jetzigen Saison mitmachen und Gemüse beziehen wollt, oder ihr an Foodcoops generell interessiert seid, schreibt gerne an: 4lle@riseup.net. Die Foodcoop in der Wolke ist
barrierearm zugänglich. Es gibt also eine rollstuhltaugliche Zufahrt, eine Wegbeschreibung findet ihr auf der Internetseite der Foodcoop. Vor Ort gibt es ein rollstuhlgerechtes Klo.